Berichte

21.04.2004 Trachtenvereinigung

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Trachtenbörse 2004 in Liestal

Knöpfe gab es nie an einem Trachtenrock, die Bluse ist nicht original und die Schürze ist zu lang. Susi Rychener, Arisdorf, Präsidentin der Trachtenkommission Baselland (TKBL) und Trachtenschneiderin, bestimmt mit ihrer Kollegin Margrit Kessler, (Ortschaft), ebenfalls Trachtenschneiderin, den Preis für eine Werktagstracht, welche für die Trachtenbörse eingereicht wurde. Diese Tracht kann höchstens an einem Waldfest oder zum Servieren getragen werden, erklären sie. Um den Kanton offiziell zu vertreten, für Gesangs- und Tanzauftritte müssen die Trachten nach den Anleitungen zur Fertigung der Fest- und Werktagstracht sowie der Sonntags-/Wintertrachten der Baselbieterin hergestellt sein. Bei der in Frage stehenden Tracht könne das Kleid aufgetrennt und der Stoff für eine kleinere Grösse verwendet werden. Das gehäkelte Fichu (Schäli) und der Schnitzsack sind in Ordnung, der Schurz (Schürze) kann gekürzt werden. 80 Franken schreiben die Frauen auf die Preisetikette. Diesen Betrag würde jemand, der eine Tracht benötige für eine Jugendliche in einer Tanzgruppe bezahlen.

Am Dienstagnachmittag begaben sich ständig Frauen mit Koffern, grossen Taschen und Säcken ins Rathaus Liestal. Im Stadtsaal empfingen Mitglieder der TKBL die Frauen, welche alle Arten von Trachten und Zubehör für die Trachtenbörse auf den Tisch legten. Ein älterer Mann konnte kaum seine Tränen zurückhalten, als er die gut erhaltene Festtagstracht seiner verstorbenen Frau auspackte: Sie hat so gerne Volkstänze getanzt und gejodelt und ich hoffe, dass jemand anders Freude hat am Kleid, sagte er traurig. Eine Frau reichte eine ebenfalls korrekte und fast neue Festtracht ein. Sie leide unter Arthritis und könne nicht mehr tanzen. Lange habe sie gehofft, dass sie die Tracht, die sie vor nicht allzu langer Zeit auf Mass anfertigen liess, wieder tragen könne. Ihre Hoffnung ist zerschlagen. Machen Sie einen fairen Preis, forderte sie die Trachtenfrauen auf, wenn jemand Freude hat am Stück und nicht sofort bezahlen kann, warte ich gerne ein paar Monate aufs Geld. Eine andere Frau nimmt eine vollständige Werktagstracht aus einer Tasche mit den Worten: Diese Tracht schenke ich Ihnen; Sie können sie weiter verschenken oder verkaufen und den Erlös in Ihre Kasse legen. Dorthin fliessen ausserdem 20 Prozent der Verkaufspreise. Aus diesem Geld kauft die Kantonale Trachtenvereinigung Baselland Trachten für Kinder und Jugendliche in Tanzgruppen, welche sie ihnen gratis zur Verfügung stellt.

Am Mittwochnachmittag stürmten die ersten interessierten Käuferinnen und Käufer bereits eine halbe Stunde vor Öffnung der Börse in den dritten Stock des Rathauses. Susi Rychener war zufrieden über die eingegangenen Artikel: Wir haben viel gute Ware erhalten und hoffen, dass sie sich verkauft. Zurzeit herrsche im Trachtengeschäft eher Flaute, im Gegensatz zu sechs, sieben Jahren früher, als ein richtiger Trachtenboom stattfand. Melanie Hertig, Oberdorf, und Katrin Bürgi, Niederdorf, zwei Teenager (habe vergessen zu fragen, wie alt sie sind, aber die sind beide nicht 20, nehme ich an), die seit ihrer Kindheit in der Trachtengruppe Waldenburgertal in der Werktagstracht tanzen, sind gekommen, um sich eine Festtagstracht zu kaufen. Diese Tracht mit allem Drum und Dran und auf Mass angefertigt kann um die 9000 Franken kosten. Die jungen Damen hoffen, an der Börse mit rund 2000 Franken wegzukommen. Geduldig probieren sie Blusen, Unterröcke, untere Mieder (Gstältli), Brustlätze, Jippen (Röcke), Mieder, Schnürbänder, Schürzen, Schultertücher, Beginen (Häubchen), Strümpfe, Schuhe und Schnitzsäcke, welche ihnen von der Trachtenschneiderin Frieda Aregger, Niederdorf, gereicht werden. Sie misst die Rocklänge ab Boden, hilft beim Platzieren des Brustlatzes und schnürt immer wieder andere Mieder mit rotem Seidenband. Nach über drei Stunden verlassen Melanie und Katrin den Börsensaal, glücklich und zufrieden und sehr stolz mit der eigenen Festtracht. Auch die Mitglieder TKBL sind am Abend zufrieden; die Börse war erfolgreich. Die nächste findet voraussichtlich in vier Jahren statt.

Benildis Bentolila